StartAktuell„Gedenken - aber wie?“ - Projektkurs Geschichte zu Besuch in Ysselsteyn (NL)

„Gedenken – aber wie?“ – Projektkurs Geschichte zu Besuch in Ysselsteyn (NL)

Über den Zeitraum eines Schuljahres hatte sich der Projektkurs Geschichte am MCG den Biographien deutscher und ausländischer Kriegstoter gewidmet, die unweit der Schule auf dem Neusser Hauptriedhof bestattet sind. Hierbei handelte es sich um ein Kooperationsprojekt mit dem Neusser Stadtarchiv und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.

Im August 2024 erhielten die Schüler*innen die Gelegenheit, die flächenmäßig größte deutsche Kriegsgräberstätte weltweit zu besuchen, die seit dem 1. November 1976 im Auftrag der Bundesregierung durch den Volksbund betreut und gepflegt wird.            31.813 Kriegstote haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Das entspricht in etwa der Anzahl an Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges pro Tag starben. Eine derart hohe Zahl lasse sich erst begreifen, wenn man das Ausmaß mit eigenen Augen gesehen habe. Grabstein für Grabstein- soweit man blicken könne und noch darüber hinaus, so einer der Teilnehmer*innen.

Jan Heemels, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Jugendbegegnungs- und Bildungsstätte Ysselsteyn, gab während der Friedhofsführung Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Kriegsgräberstätte und veranschaulichte anhand ausgewählter Lebensgeschichten die Besonderheiten dieses Lernortes. Auf dem Friedhof in Ysselsteyn sind deutsche Soldaten des Zweiten Weltkrieges bestattet, die auf niederländischem Gebiet starben. Darüber hinaus ruhen hier u.a. niederländische, polnische und russische Soldaten, die auf deutscher Seite gekämpft haben, sowie Tote des Ersten Weltkrieges. Auch zivile Opfer fanden hier ihre letzte Ruhestätte: Es waren Männer, Frauen und Kinder, u.a. aus den umliegenden Internierungslagern. Der jüngste Kriegstote in Ysselsteyn starb kurz nach Geburt, der älteste wurde 90 Jahre alt.

Insgesamt ruhen auf der Kriegsgräberstätte Ysselsteyn Menschen aus 40 Nationen. 5000 Gräber sind namenlos. Die meisten der hier beigesetzten Menschen waren Soldaten, die während der Ausübung ihres Militärdienstes bei Kriegshandlungen umkamen. Die Altersklasse der 18-jährigen ist hierbei am häufigsten vertreten. Nach aktuellem Forschungsstand liegen dort aber auch 2000-3000 schwere Kriegsverbrecher, die sich der systematischen Verfolgung und Ermordung von Juden, Roma und Sinti, Oppositionellen, Widerstandskämpfern und weiteren Zivilisten schuldig gemacht haben, sowie 500 niederländische Kollaborateure.

Alle Toten liegen hier in gleichen Gräbern, unabhängig von Status, Rang oder persönlichen Taten. Vielen Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft blieb dieses Recht auf eine angemessene Grabstätte dagegen verwehrt. Nicht selten sind Ort und Zeitpunkt ihres Sterbens unbekannt geblieben. In Gedenken an alle Opfergruppen wurden im Auftrag des Volksbundes fünf Glas-Stelen („Gates of Remembrance“) des amerikanischen Künstlers Arnold Dreyblatt auf dem zentralen Platz des Friedhofs errichtet. Dieses Denkmal soll als Ergänzung der Kriegsgräberstätte verstanden werden und all jene sichtbar machen, an die kein Grabstein erinnert.

Im Anschluss an die fachkundige Führung erhielten die Teilnehmer*innen in einem Workshop die Gelegenheit quellenbasiert die Lebenswege ausgewählter Kriegstoter zu erforschen und die unterschiedlichen Geschichten hinter den Kreuzen zu entdecken. Hierbei wurden sie mit dem Spannungsfeld zwischen Täter und Opfer sowie den Schattierungen dazwischen konfrontiert. Die Schüler*innen setzten sich davon ausgehend mit den Herausforderungen und Zielsetzungen zeitgemäßer Formen von Erinnerungskultur auseinander. Wir danken der Stiftung Gedenken und Frieden sowie dem Archiv Forum und Geschichte Neuss e.V. für die großzügige finanzielle Förderung dieser berührenden und zugleich erkenntnisreichen Exkursion.

[DÖT]

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