Am 20.09.2023 besuchte der Projektkurs Geschichte den Neusser Hauptfriedhof an der Rheydter Straße, unweit vom Marie-Curie-Gymnasium gelegen.
Vor Ort waren die Schüler:innen und ihre Lehrerin Annika Dötsch mit der Stadtarchivarin Frau Dr. Annekatrin Schaller und Herrn Rainer Lessmann, dem Leiter des Friedhofsamtes, zur Erkundung der lokalen Kriegsgräberstätte verabredet.
Zu Beginn des Rundganges betonte Herr Lessmann die heutige Bedeutung dieses Denkmals als ein Mahnmal für den Frieden. In diesem Sinne stehe auch die Gedenkveranstaltung am Volkstrauertrag, zu der die Stadt Neuss und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge alljährlich zu einer Gedenkstunde einlade. An dieser Veranstaltung nähmen auffallend wenige junge Menschen teil. Vor diesem Hintergrund begrüßte er ausdrücklich die Auseinandersetzung des Projektkurses mit den lokalen Kriegsgräberstätten als besondere Form der Erinnerungskultur.
Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK), dessen Schirmherr der Bundespräsident ist, widmet sich im Auftrag der Bundesregierung der Aufgabe, für die Ruhestätten der deutschen Kriegstoten beider Weltkriege im In- und Ausland zu sorgen.
In diesem Schuljahr haben es sich die Kursteilnehmer:innen in Kooperation mit dem Neusser Stadtarchiv und dem VDK zum Ziel gesetzt, die lokale Gedenkstätte didaktisch aufzubereiten. Auf der Kriegsgräberstätte des Neusser Hauptfriedhofs ruhen 625 deutsche Kriegstote des Ersten und Zweiten Weltkrieges, davon 154 Frauen und Kinder, die bei Luftangriffen umkamen. Aufrecht stehende, schlichte Steinkreuze tragen Namen und Daten von Soldaten und zivilen Kriegsopfern.
Dabei gilt zu beachten, dass die tatsächliche Zahl der hier begrabenen Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft weit höher liegt. Viele der deutschen Kriegstoten sind in ihren Familiengräbern bestattet. Darüber hinaus liegen in den Ortsteilfriedhöfen Grimlinghausen, Weckhoven, Norf, Holzheim, Rosellen, Uedesheim und Grefrath weitere 149 Kriegstote.
Herr Lessmann informierte über die Baugeschichte der Anlage mitsamt dem so genannten Ehrenmal. Das schlichte Stahlkreuz sei erst viele Jahre später nachträglich errichtet worden. Ferner machte Herr Lessmann die Schüler:innen aufmerksam auf ein Register, das sich in einem eingemauerten Schubfach befindet, in dem Besucher nach möglichen Angehörigen suchen können.
Neben den Gräberreihen befinden sich Überreste eines Denkmals für die Toten des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71, das sich einst auf dem Freithof befand. Wie die Überreste seinerzeit auf den Hauptfriedhof gelangten, sei unklar. Von 331 ausländischen Kriegstoten, die auf einem räumlich abgesetzten Gräberfeld bestattet wurden, sind 210 sowjetische Staatsangehörige. Der Großteil dieser Kriegsopfer sei ukrainischer Herkunft gewesen, wusste Herr Lessmann laut Aufzeichnungen zu ergänzen. Ein Gedenkstein in kyrillischer Schrift erinnert an die vielen Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter:innen, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben in Neuss ließen.
Abschließend passierte die Gruppe das Grabmal von Hermann Düllgen, einem kommunistischen Widerstandskämpfer, der 1944 im Zuchthaus Lüttringhausen hingerichtet wurde. An ihn erinnert ein Stolperstein und eine nach ihm benannte Straße in Neuss-Grimlinghausen. Darüber hinaus wird ihm u.a. im Gedenkbuch am Neusser Rathaus gedacht. Frau Dr. Schaller führte aus, dass Hermann Düllgen von 1929 bis 1933 Stadtverordneter der KPD in Neuss gewesen und ab 1933 zu mehreren Zuchthausstrafen verurteilt worden sei.
Herr Lessmann unterstrich Düllgens Bedeutung: Als er im Juni 1946 auf den Neusser Hauptfriedhof umgelagert wurde, seien Vertreter sämtlicher Parteien anwesend gewesen, um dem Widerstandskämpfer die letzte Ehre zu erweisen.
Die Kursteilnehmer:innen zeigten sich sichtlich bewegt von dem Besuch und dankten Herrn Lessmann sowie Frau Dr. Schaller für deren sachkundige Führung.
[DÖT]