Im Zuge des sogenannten „Wirtschaftswunders“ wuchs ab Mitte der 1950er Jahre in Westdeutschland der Arbeitskräftebedarf rasant an. Die Bundesregierung schloss daher zwischen 1955 und 1973 Anwerbeabkommen mit Italien, Spanien, Griechenland, der Türkei, Marokko, Portugal, Tunesien, Jugoslawien und Südkorea.
Die „Gastarbeiter“ arbeiteten meist als Ungelernte in der Industrie. Für sie war die Arbeit in Deutschland finanziell attraktiv und viele hofften auch auf einen besseren Lebensstandard. Bis Anfang der 1970er Jahre lebten die meisten von ihnen in Baracken und Wohnheimen mit strengen Regeln und kamen vor allem an ungeliebten Arbeitsplätzen mit harten Arbeitsbedingungen zum Einsatz.
Von diesen Hoffnungen und Erwartungen, aber auch von Enttäuschungen wusste Naki Çakar nur zu gut zu berichten, der als junger Mann seine Heimat, die Türkei, verließ. Naki Çakar ist der Großvater von Selin Karabulut (EF), der am Dienstag, dem 10.01.2017, am Marie-Curie-Gymnasium als Zeitzeuge zu Gast war und über seine Zeit als „Gastarbeiter“ in Deutschland berichtete. Nach einem Impulsreferat, das Selin Karabulut über die Geschichte ihrer Familie hielt, konnten die Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses von Herrn Stein Fragen an den Zeitzeugen stellen und sich so einen Einblick davon verschaffen, was es bedeutet, wenn man das eigene Land verlässt, seine Familie und Freunde zunächst zurücklässt und in einem fremden Land neu anfängt.
Anfang der 1970er Jahre geriet die Wirtschaft in eine Krise, viele verloren ihre Arbeit. Die „Gastarbeiter“ wurden oft als Erste entlassen. 1973 wurde ein Anwerbestopp erlassen. Zu dieser Zeit arbeiteten rund 2,6 Millionen Ausländerinnen und Ausländer in Westdeutschland. Viele blieben in der Bundesrepublik und holten allmählich ihre Familien nach.
So auch Naki Çakar, der inzwischen seit 43 Jahren mit seiner Frau in Neuss lebt, 5 Kinder und 6 Enkelkinder hat. Auch heute ist er noch davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war.
[M. Stein]